Nichts hat sich geändert, nur die Namen sind verschieden

Es gab keine großen Entwicklungen in den letzten sechs Jahren:

Culcha Candela singt „Relax“, Florida-Rolf heißt heute Arno Dübel.

Die Ideologie des totalen Wachstums hat zwar durch die Finanz- und Wirtschaftskrise einen Knick bekommen, sie wird aber weiterhin als „Weltreligion“ (Meinhard Miegel) gepriesen. Im Zweifelsfalle hatte man die Menschen vor kurzem noch dafür bezahlt, dass sie ihre völlig intakten Autos zum Schrotthändler bringen, um sie da zerstören zu lassen. Die Bedingung war lediglich, sich eine neue Karre zuzulegen, um somit die Automobilindustrie am Leben zu halten.

Hin und wieder bombardiert man auch fremde Länder, um somit einen Absatzmarkt generieren zu können, was aber so niemand gerne zugibt.

Wachstum zu simuliern geht aber auch viel einfacher:

Ich hatte vor etwa einem halben Jahr über ein Internetportal das Angebot erhalten, bei einem großen Konzern den „second level support“ vorzunehmen. Nun war mir der angebotene Stundensatz zu niedrig, darauf will ich aber nicht hinaus. Es waren nämlich viele Beteiligte an diesem Auftrag. An letzter Stufe war ich geplant, um die Arbeit auszuführen, darüber stand ein externes Unternehmen, welches die Dienstleistung mit dem IT-Profitcenter des Konzerns abrechnete. Dieses wiederum stellt eine Rechnung an den Hauptkonzern.

Nun kann man sich überlegen, dass unten nur ein Drittel des Geldes ankommt, was der Konzern bezahlt, der Konzern könnte es also billiger haben. Aber auch darauf will ich nicht hinaus. Nehmen wir nur einmal folgendes an:

Der Konzern zahlt je Stunde 150€, der Dienstleister behält 50 € für sich, das externe Unternehmen behält 50 € für sich und am Ende bleiben von den 150€ noch 50€ für denjenigen, der die Arbeitsleistung erbringt.

Würde nun der Konzern jedem der Beteiligten 50€ in die Hand drücken, so tauchten insgesamt 150€ in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung als im Inland erbrachte Dienstleistungen auf. Dies könnte man schon für recht hoch halten, da ja nur für 50€ Leistung erbracht wurde, aber es geht ja noch weiter:

Denn natürlich zahlt der Konzern die 150€ als eine Summe an den Dienstleister, dieser zahlt eine Rechnung von 100€, die ihm das externe Unternehmen stellt, und dieses externe Unternehmen erhält wiederum eine Rechnung über 50€ vom freelancer, der sich in das Callcenter setzen darf.

In der VGR taucht also in diesem Beispiel die Summe aus 150€ + 100€ + 50€ = 300€ auf. Wäre noch ein vierter Dienstleister dazwischen, der auch noch mitverdienen wollte, dann würde sich der Betrag wiederum erhöhen, also zum Beispiel 150€ + 120€ + 100 € + 50€ = 420€ für eine Arbeitsstunde, bei der oben 150€ bezahlt wird, von denen 50€ unten ankommen.

Um Wachstum zu simulieren ist es also nicht einmal notwendig, Bagdad zu bombardieren oder Autofahrer für die Zerstörung ihres liebsten Kindes zu bezahlen, man muss einfach nur die Menschen animiren, bei der Leistungserstellung möglichst viele Unternehmen ins Boot zu holen. So wird also die Leiharbeitsbranche zu einem Wachstumsbringer, allein schon, weil ein weiters Unternehmen in eine virtuelle Wertschöfungskette eingebunden wird.

Ich habe übrigens eine Idee, wie man so die Arbeitslosigkeit vollständig beseitigen und gleichzeitig das Wachstum enorm ankurbeln könnte:

Jeder Mensch sollte gezwungen oder animiert werden, eine Kapitalgesellschaft zu gründen. Unternehmen dürfen keine Mitarbeiter mehr beschäftigen, sondern dürfen nur mit diesen Kapitalgesellschaften Leistungsverträge abschließen. Wenn jemand kein Unternehmen findet, welches mit seiner Kapitalgesellschaft einen Vertrag schließen will, springt der Staat ein. Mit der Kapitalgesellschaft als juristische Person schließt der Mensch einen Vertrag über seinen Lohn. Er schließt also einen Vertrag mit sich selbst, wie es in kleinen Kapitalgesellschaften üblich ist (fragt mich jetzt bitte nicht nach dem Paragrafen, der im Gesellschaftsvertrag erwähnt sein muss, um diese Ausnahmegenehmigung zuzulassen).

Erstens gäbe es somit keine Arbeitslosen mehr, sondern nur unterbeschäftigte Geschäftsführer, zweitens würde der Lohn einmal durch Auszahlung des Unternehmens an die Kapitalgesellschaft und zum zweiten bei der Auszahlung der Kapitalgesellschaft an den Geschäftsführer in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auftauchen.

Damit man kontinuierliches Wirtschaftswachstum über Jahre hinweg garantieren könnte, müssten in der nächsten Periode (also im nächsten Jahr) dann einige Personen eine weitere Gesellschaft gründen, die dann wiederum mit der im Vorjahr gegründeten Gesellschaft Verträge schließen müsste. Die Zahl müsste sich am gewünschten prozentualen Wachstum orientieren. Eventuell könnte man auch Personen zwingen, eine Gesellschaft im Ausland zu gründen, damit auch die Außenhandelsbilanz höhere Zahlen ausweisen würde. Da Wachstum exponential sein muss, müssen natürlich jedes Jahr mehr Gesellschaften hinzukommen als im Jahr davor. Irgendwann ist man natürlich nur noch damit beschäftigt, neue Gesellschaften zu gründen, aber wenn man bedenkt, dass die Alternative dazu die Zerstörung des eigenen Autos oder fremder Städte in zeitlich immer kürzeren Abständen ist, um den Gott des Witschaftswachtstums die Opfer zu erbringen, dann hat dieser Vorschlag doch einen gewissen Charme, oder sieht das jemand anders?

2 Antworten to “Nichts hat sich geändert, nur die Namen sind verschieden”

  1. Gulo Says:

    Die Frage ist doch..Wachstum wovon? Der Geldmenge oder der vefügbaren Güter…

    • peeka Says:

      Da es „Güter und Dienstleistungen“ heißt bieten ja gerade die Dienstleistungen die Chance, den Wachstumsfetisch zu beglücken und trotzdem nicht mehr produzieren zu müssen.
      Meine Aussage ist ja, dass die Wachstumszahlen überhaupt keine Aussage darüber treffen, ob mehr oder weniger Leistungen erbracht werden.

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